Das TPS verstehen: Wie Sie in Menschen investieren und Kosten langfristig senken

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Matthias Bingel

Regional Manager & Senior TPS advisor Toyota Lean Academy TMH Deutschland

7 Minute(n) Lesezeit

TPS

Vor allem im Industriesektor ist das weltweit bekannte Toyota Produktionssystem (TPS) ein Ansatz, der von vielen Lean-orientierten Unternehmen angewandt wird. Wir erläutern die einzelnen Bausteine und verraten Ihnen im zweiten Teil unserer Blog-Serie, wie Sie in Menschen investieren und Ihre Kosten langfristig senken können.

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Das Streben nach Kosteneffizienz bedeutet, weder Abstriche bei der Qualität noch bei der Sicherheit des Personals zu machen – eher sollte das Gegenteil der Fall sein.

Dabei sind es im industriellen Sektor die Produktionskapazitäten, die eng mit den Personalressourcen verbunden sind. Und sind die nicht gut organisiert, ist dies eine Quelle für mögliche Kosteneinsparungen. Bei den Personalkosten sind es in erster Linie die Summe der Löhne und Gehälter, die betrachtet werden müssen.

Doch vor allem sind es eine unzureichende Organisation und Unfälle, die den Produktionsfluss verlangsamen oder sogar unterbrechen und damit erhebliche Kosten verursachen können.

Vorkehrungen für Gefahrenpotenziale treffen

Die Beschäftigung mit der Sicherheit am Arbeitsplatz geht weit über die von der Gesetzgebung vorgeschriebenen Sicherungs- und Schutzverfahren hinaus. Vielmehr geht es darum, sämtliche Risiken zu berücksichtigen und zu vermindern – und zwar über alle Aktivitäten in der gesamten Lieferkette hinweg.

So gibt es bei jeder industriellen Tätigkeit zahlreiche Gefährdungsmöglichkeiten: Einerseits unmittelbare Risiken (in Verbindung mit der Umwelt, Werkzeugen etc.), die klar erkennbare Schäden verursachen können. Andererseits müssen auch längerfristige und weniger offensichtliche Risiken berücksichtigt werden, wie zum Beispiel die Gefährdung durch Schadstoffe, Ergonomie am Arbeitsplatz aber auch psychische Aspekte.

Und so gilt es, diverse Vorkehrungen für vielfältige Gefahrenpotenziale zu treffen – und zwar durch:

  • technische Lösungen in der Fabrik
  • die Weitergabe von Informationen
  • Schulungen des Personals
  • die sorgfältige Prüfung der Organisation und der Prozesse

„Kultur der Sicherheit“ muss ganzheitlich gelebt werden

Wenn Sie bereits Schulungen zu verschiedenen Lean-Werkzeugen durchgeführt haben, wissen Sie um den möglichen Zeitgewinn für Mitarbeitende und Führungskräfte.

Aber haben Sie dabei auch an alles gedacht? Auch an die vermeintlich unbedeutenden Themen, die sich dennoch negativ auf das Arbeitsumfeld auswirken? Und die dafür sorgen können, dass regelmässig nur „einige Sekunden“ verloren gehen oder – schlimmer noch – Menschen ihre Motivation verlieren?

Entscheidend ist es zu erkennen, dass die „Kultur der Sicherheit“ global und ganzheitlich sein muss und nicht auf die leichte Schulter genommen werden darf. Die Mitarbeitenden, die im Zentrum dieser Risiken stehen, in die Analyse einzubeziehen, ist zur Ergreifung geeigneter Gegenmassnahmen grundlegend wichtig. Davon hängt nicht nur die gesamte Produktion, sondern die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit des gesamten Unternehmens ab.

Warum Training die Säule der Beteiligung ist

toyota material handling_menschen investieren_bild2Schulungen und Trainings sind elementar wichtig für die Sicherheit in einem Unternehmen. Denn im Arbeitsalltagkommt es unweigerlich zu einer mangelhaften Nutzung der persönlichen Schutzausrüstung, zu Unfallgefahren und zu einer erhöhten Anzahl von Arbeitsunterbrechungen. Es geht also darum, die Fähigkeiten der einzelnen Mitarbeitenden zu verbessern und ihnen bei ihren täglichen Aufgaben immer mehr Verantwortung zu übertragen.

Ein weiterer elementarer Baustein ist der Austausch von Informationen. Als wesentlicher Aspekt einer jeden Sicherheitskultur ermöglicht er es, die Mitarbeitenden in die neuen Vorschriften einzubeziehen, wesentliche Punkte zu verstärken und das eigene Bewusstsein für arbeitsbedingte Risiken zu schärfen. Gleichzeitig gewinnen die Mitarbeitenden an Selbstständigkeit, die auch die Arbeitsleistung erhöht.

Das Training ist somit eine sinnvolle Investition und ein wichtiges Werkzeug, das die Motivation von Teams und ihre Produktivität steigert.

5S als Basis für sichere und gesunde Arbeit

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Die sogenannten 5S rationalisieren die Rahmenbedingungen der Arbeit mit dem Ziel, sie zu optimieren. So ermöglicht die individuelle oder betriebliche Anwendung der fünf Standards eine sichere, gut organisierte, effiziente und saubere Umgebung zur Ausführung der eigenen Aufgaben.

Ein Ziel ist es, zwischen „normal“ und „abnormal“ unterscheiden zu können. Dabei bezieht sich jedes „S“ auf eine Aktion, einen Vorgang, eine Regel oder einen Standard, der anzuwenden ist:

  1. SEIRI oder „Sortieren“
    SEIRI bezieht sich auf die Sortierung von dem, was am Arbeitsplatz verwendet und was nicht verwendet wird – z. B. Materialien, Werkzeuge oder Ausrüstungsgegenstände. Dafür müssen die Mitarbeitenden einen Schritt zurücktreten, um ihre Aktivitäten im Gesamtzusammenhang zu betrachten und danach zu handeln.

  2. SEITON oder „Systematisieren“
    Es gilt, für jeden Gegenstand Bereiche zu definieren, zu markieren, zu benennen, voneinander abzugrenzen und identifizierbar zu machen. Wenn häufig genutzte Werkzeuge besser zugänglich und näher am Einsatzort sind, verbessern sich die Produktivität, Zugriffs- und Suchzeiten, die Ergonomie wie auch die Sicherheit deutlich.

  3. SEISO oder „Säubern“
    SEISO richtet sich auf die Hygiene und die Sauberkeit am Arbeitsplatz. Denn kurz- wie auch langfristig ist beides für das Wohlbefinden der Mitarbeitenden essenziell wichtig. Auch der Verschleiss oder der Defekt von täglich genutzten Werkzeugen und Geräten wird damit verringert, was gleichzeitig noch Arbeitsausfallrisiken und Qualitätsmängel minimiert.

  4. SEIKETSU oder „Sauber halten“
    Durch schriftliche oder visuelle Methoden werden die Verfahren und Standards in den Köpfen der Menschen verankert und Schritt für Schritt implementiert. Wird dieser Prozess vernachlässigt, ist die Rückkehr zu schlechten Gewohnheiten garantiert. Entscheidend ist es, dass der Prozess strukturiert abläuft und kontinuierlich (z. B. jeden Tag) oder zumindest regelmässig (festgelegte Zeit in der Woche oder im Monat) wiederholt wird.

  5. SHITSUKE oder „Selbstdisziplin“
    Für den ganzheitlichen Erfolg müssen die genannten Methoden nachhaltig und mindestens über einen sehr langen Zeitraum eingehalten werden. Dazu ist es hilfreich, die Mitarbeitenden einzubeziehen und ihnen Sinn und Zweck der 5S zu erläutern. Zudem ist es ratsam, eine regelmässige Überprüfung der Standards mit einer individuellen Anerkennung der Leistung der Mitarbeitenden durchzuführen.

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5S-Projekte sind mehr als bloss ein grosser Frühjahrsputz

Sie erfordern Zeit, Ressourcen und die Bereitschaft aller, sich auf Veränderungen einzulassen. Durchschreiten Sie dabei die folgenden fünf Stufen:

  1. Vorbereitung:
    - Auswahl des ersten Einführungsbereichs
    - Ernennung eines/einer Moderierenden zur Durchführung
    - Definition von Zielen (Sicherheit, Platzgewinn, Zeitgewinn, Erkennen von Problemen), Kennzahlen und eines Plans zum Vorgehen
    - Auswahl von Ressourcen zur Erreichung der Ziele (Budget, Zeit, Personal)
    - Schulung der Teilnehmenden, die in dem zu bearbeitenden Bereich tätig sind
  2. Umsetzung eines 5S-Aktionsplans in einem Testbereich
  3. Messung der Ergebnisse
  4. Einsatz und Übertragung in andere Bereiche
  5. Transparente Kommunikation für dauerhafte Veränderungen

 

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